Tagliamento

Mechanische Landschaften

2007

 

Die „Mechanische Landschaft“ mit dem Titel „Tagliamento“ aus dem Jahr 2007 (1347 Meter; 53,07 Sekunden) hat ihren Namen vom gleichnamigen norditalienischen Fluss entlehnt. Dieser entspringt in den östlichen Dolomiten, von wo aus er zunächst in Richtung Osten fließt. Bei Germona verlässt er die Südlichen Kalkalpen und verläuft durch das Venezianische Tiefland. Bei Bibione mündet er ins Adriatische Meer. Er ist einer der letzten Wildflüsse der Alpen, unreguliert auf seinen ca. 170 Kilometern Länge und von breiten Schotterflächen umgeben. Tagliamento leitet sich von tagliare her, das schneiden, durchschneiden bedeutet. Der Fluss durchbricht bei Tarvis die Kalkalpen, woher sein Name wohl rührt.

Wie bei allen bisher entstandenen acht „Mechanischen Landschaften“, die Christian Ruschitzka zwischen 2000 und 2008 entwickelt hat, wird auch mit dieser Arbeit eine Intervention in eine bestehende Umgebung vorgenommen. Diese Interventionen sind sowohl hinsichtlich der vorbereitenden Maßnahmen als auch hinsichtlich der Durchführung mehr oder weniger aufwändig. Alle Interventionen sind temporär und performativ, weshalb sie am Ort des Geschehens filmisch dokumentiert werden. Die Eigenart dieser Interventionen erlaubt keine dauerhafte „Monumentalisierung“. Richtiger wäre es zu sagen, dass die Vermeidung der Dauerhaftigkeit Ziel ist, nach dem Motto: Die Skulptur muss vom Sockel.

Der Stein wird aus der Schleuder genommen. Durch leichtes Anheben des Netzes kann er wieder exakt an seinen ursprünglichen Platz gelegt werden. Das Netz wird entfernt. Scheinbar ist nichts geschehen.

Sieht man den Film zum ersten Mal, kommt er als kleines poetisches Stück daher. Bei näherer Betrachtung erweist er sich jedoch als ein vielschichtiges Projekt. Ohne die äußerst präzise Verarbeitung des Metallstabs, der die Aktion gewährleistet, könnte sie nicht diese komplexe und bis ins Detail durchdachte Wirkung entfalten. Der Stab bleibt als Skulptur und der Film als Erinnerung an die Intervention erhalten. Die Metallskulptur, die keinen Namen trägt, bildet das Rückgrat dieser „Mechanischen Landschaft“.

Diese sehr konzeptuelle Arbeit erhält durch das Betreiben einer scheinbar banalen Handlung eine zen-buddhistische Färbung. Die Angabe von 1347 Metern im Titel bezieht sich nicht, wie man zunächst meinen könnte, auf die Seehöhe des Ortes, an dem die Intervention stattfand, sondern meint den vom Stein in der Luft zurückgelegten Weg. Hier wird deutlich, dass das Wesen der Kunst das Tun ist und die Resonanz des Betrachters vom Künstler bei der Produktion nicht antizipiert werden muss.

(Text: von Margarete Heck)